Auch den Verband Sozialpädagogischer Fachkräfte Berlin bewegt das Thema „Anstieg der Gewalt in Kitas“ Wir halten die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dieser Thematik für dringend geboten.
Wenn Bundesfamilienministerin Paus davon spricht, dass es trotz Überforderung keine Gewalt in Kitas geben dürfe, wirft das für Fachkräfte aus der Praxis allerdings Fragen auf.
Ja, Gewalt in Kitas darf nicht sein. Sie ist aber da und in vielen Einrichtungen zumindest in subtiler Form präsent. Verletzendes Verhalten in Kitas beschränkt sich nicht auf die durch Recherchen des Bayerischen Rundfunks aufgedeckten Fälle.
Auch Fachkräfte aus Berlin können von unangemessenem oder übergriffigem Verhalten und auch Gewalt in Kitas berichten. Verdachtsfälle, die polizeirelevant sind, bilden dabei nur die Spitze des Eisbergs.
Viel häufiger kommen in der Praxis Formen der sogenannten Alltagsgewalt vor. Der Ton wird lauter und rauer, Kinder bekommen nicht die nötige Zeit und Assistenz, zum Beispiel beim Essen oder Anziehen, sie werden abgefertigt, es ist nicht möglich, auf ihre Bedürfnisse einzugehen oder sie erhalten nicht die notwendige Zuwendung und Unterstützung, um Konflikte zu lösen oder sich emotional zu regulieren.
Eine der Ursachen liegt sicherlich in mangelnder persönlicher Eignung und fehlender Verantwortung für bei der Ausübung des Berufs einzelner Fachkräfte. Wir stimmen der Ministerin zu, dass es wichtig ist, gut ausgebildetes Personal in Kitas zu beschäftigen. Schulungen und institutionelle Schutzkonzepte können zusätzlich zur Professionalisierung beitragen und gehören inzwischen zum Standard in den Kitas.
Eine bedeutsame und häufige Ursache für verletzendes Verhalten gegenüber Kindern sind die strukturellen Mängel im Kita-System. Sie bilden einen Nährboden für Vernachlässigung und Alltagsgewalt. Dies zeigt beispielsweise die vielbeachtete Studie „Verletzendes Verhalten in Kitas“, die von Prof. Dr. Astrid Boll und Prof. Dr. Remsperger-Kehm 2021 veröffentlicht wurde.
Große Kindergruppen in beengten Räumlichkeiten und eine schlechte Fachkraft-Kind Relation führen zu Überforderung von Kindern und Personal. Der Einsatz von Aushilfskräften, die nicht zusätzlich, sondern anstelle von pädagogisch ausgebildeten Fachkräften eingesetzt werden, erschwert ein kindorientiertes, fachliches Arbeiten.
In Berlin ist der Einsatz von sogenannten Quereinsteigern und Auszubildenden anstelle von ausgebildetem Personal in den meisten Einrichtungen Alltag. Diese Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel wie auch der Fachkräftemangel selbst führen zu weiteren Problemen, denen sich alle Verantwortlichen zum Schutz der Kinder dringend stellen müssen.
Das Kita-System ist komplex. Träger, Kommunen, Land und Bund bilden hier eine Verantwortungsgemeinschaft. Um strukturelle Mängel, die Gewalt begünstigen, zu beseitigen müssen alle Beteiligten deutlich mehr tun. Einen Alltag unter kindgerechten Bedingungen für unsere Jüngsten zu schaffen, muss erklärtes Ziel aller Verantwortlichen sein.
Es ist gut, dass Ministerin Paus ihrem Entsetzen Ausdruck verliehen hat. Wenn sie ihren Worten Taten folgen lassen will, muss sie sich für eine Erhöhung der Bundesmittel im Kita-Bereich einsetzen sowie sicherstellen, dass diese Mittel ausschließlich für eine bessere Personalisierung und Ausbildung neuer Fachkräfte genutzt werden. Chancengleichheit für die Kinder aller Bundesländer zu schaffen, Kinderrechte und Kinderschutz sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern, gehören zu den Aufgaben der Bundesregierung.
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